Direkt zum Inhalt springen

Diskurs

Montag, 13.10.2025

Stellungnahme der Initiative Urheberrecht

Der Referenten­ entwurf des KI-MIG-Gesetzes

Die Initiative Urheberrecht hatte die Gelegenheit, zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) 2024/1689 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juni 2024 („AI Act“, ABl. L 2024/1689 vom 12.7.2024, S. 1) Stellung nehmen zu können.

Die Initiative Urheberrecht vertritt über ihre mehr als 40 Mitgliedsorganisationen die Interessen von rund 140.000 Urheber:innen und ausübenden Künstler:innen in den Bereichen Belletristik und Sachbuch, Bildende Kunst, Design, Dokumentarfilm, Film und Fernsehen, Fotografie, Illustration, Journalismus, Komposition, Orchester, Schauspiel, Spieleentwicklung, Tanz und vielen mehr.

A. Einleitung

Die Initiative Urheberrecht bedankt sich für die Gelegenheit, zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) 2024/1689 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juni 2024 („AI Act“, ABl. L 2024/1689 vom 12.7.2024, S. 1) Stellung nehmen zu können.

Grundsätzlich begrüßen wir die Zielsetzung des Entwurfs, mit der Bundesnetzagentur eine zentrale Marktüberwachungsbehörde und Anlaufstelle zu benennen (§§ 2, 6 KIMIG).

Allerdings weist der Entwurf aus Sicht der Urheber:innen, Künstler:innen und anderen Rechteinhabern Schutzlücken auf, soweit es um die Überwachung und Durchsetzung der im AI Act vorgesehenen Transparenzpflichten geht.

B. Bewertung

I. Transparenzpflichten im AI Act und Code of Practice

Die Verordnung (EU) 2024/1689 enthält in Kapitel IV umfangreiche Transparenzpflichten für bestimmte KI-Systeme, darunter die Kennzeichnung KI-generierter Inhalte, Informationspflichten bei Interaktion mit KI-Systemen (Art. 50) sowie besondere Offenlegungspflichten über Praxisleitfäden bei Modellen mit allgemeinem Verwendungszweck (GPAI) in Art. 56. Die gem. Art. 95 Abs. 2 AI Act durch die Kommission entwickelten Verhaltenskodizes sollten Transparenz und Nachvollziehbarkeit sicherstellen, gerade auch im Hinblick auf den Umgang mit urheberrechtlich geschützten Trainingsdaten. Im Hinblick auf das Urheberrecht und die Transparenzpflichten der Anbieter bleiben die Formulierungen allerdings deutlich hinter den Erwartungen und Anforderungen des Kreativsektors zurück, was durch die Verbände der Urheber:innen und Künstler:innen und durch die Kreativwirtschaft bereits kritisiert wurde.

II. Fehlende Umsetzung im RefE

Umso wichtiger ist es, wenigstens auf nationaler Ebene die Transparenzpflichten im Hinblick auf das Urheberrecht mit zu überwachen.

Der Referentenentwurf beschränkt sich darauf, Marktüberwachungsbehörden zu benennen und ein Koordinierungs- und Kompetenzzentrum (KoKIVO) einzurichten (§ 5 KI-MIG). Dies soll bei „horizontalen Rechtsfragen“ beraten und die Aufstellung von Verhaltenskodizes „erleichtern“. Eine ausdrückliche Zuständigkeit zur Überwachung der Transparenzpflichten nach Art. 50 AI Act oder der Einhaltung der Verhaltenskodizes ist nicht vorgesehen.

Zwar sieht § 8 KI-MIG eine zentrale Beschwerdestelle vor, diese ist stützt sich aber nur auf Art. 85 AI Act und richtet sich primär an Verbraucher:innen. Ein spezifisches Beschwerderecht für Rechteinhaber:innen und ihre Verbände fehlt aber vollständig.

Der Entwurf verweist darauf, dass „für die Wirtschaft keine neuen Verpflichtungen“ entstehen (Begründung E., S. 2) Damit bleibt offen, ob und inwieweit Verstöße gegen Transparenzpflichten, die für Urheber:innen zentral sind überhaupt mit Bußgeldern oder sonstigen Sanktionen belegt werden können (§ 15 KI-MIG i.V.m. Art. 99 AI Act).

III. Folgen für Urheber:innen und Künstler:innen

Diese Lücken führen dazu, dass Urheber:innen und Künstler:innen ihre Informations- und Kontrollrechte faktisch nicht wahrnehmen können:

Ohne nationale Kontrollmechanismen können Urheber:innen nicht effektiv feststellen, ob ihre Werke rechtswidrig in Trainingsdatensätzen verwendet wurden. Die Transparenzinformationen sind wiederum Voraussetzung dafür, die Ansprüche nach der InfoSoc- oder DSM-Richtlinie durchsetzen zu können.

IV. Verhältnis von AI Office und nationaler Aufsicht

Nationale Behörden sind nach dem unverbindlichen Verhaltenskodex nicht verpflichtet, die Umsetzung der branchenspezifischen Transparenzstandards zu überwachen. Obwohl die Überwachung der Transparenzpflichten durch das AI Office vorgesehen (Art. 88 f., 96 Abs. 1 lit. d) AI Act), ist eine nationale Aufsicht aus unserer Sicht entscheidend, weil AI Office und nationale Aufsicht Hand in Hand arbeiten müssen, um effektive Überwachung sicherzustellen.

Das AI Office ist nach Art. 88 AI Act für Koordinierung und Standardsetzung zuständig, insbesondere für die Aufstellung und Überwachung der Verhaltenskodizes (Art. 95 Abs. 2 AI Act). Die Durchsetzung aller Verpflichtungen des AI Act, einschließlich der Transparenzpflichten nach Kapitel IV AI Act, obliegt aber den Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer Marktüberwachung.

Wenn keine effektiven Rechtsmittel in diesem Bereich greifen, widerspricht dies dem effet utile-Prinzip als auch Art. 19 Abs. 1 EUV. Nationale Behörden müssen daher zuständig sein, Verstöße gegen Transparenzpflichten festzustellen und zu sanktionieren.

Auch im Datenschutzrecht (DSGVO) und im Digital Services Act (DSA) liegt die Koordinierung auf EU-Ebene, während die konkrete Aufsicht und Beschwerdemöglichkeiten national ausgestaltet sind. Der AI Act folgt diesem Muster: Ohne nationale Aufsicht wäre die Umsetzung der Transparenzpflichten faktisch nicht gewährleistet.

Gerade für den urheberrechtlichen Bereich ist eine nationale Kontrollinstanz unverzichtbar. Nur so kann sichergestellt werden, dass Anbieter die im Verhaltenskodex vorgesehenen Offenlegungspflichten nicht einseitig im Sinne wirtschaftlicher Interessen auslegen, sondern auch den berechtigten Informations-ansprüchen von Urheber:innen, Künstler:innen und anderen Rechteinhabern Rechnung tragen.

C. Forderungen

Die Initiative Urheberrecht fordert daher, den Referentenentwurf an den folgenden Stellen zu ergänzen:

  • Erweiterung der Aufgaben der Bundesnetzagentur und des KoKIVO um eine explizite Zuständigkeit zur Überwachung der Transparenzpflichten nach Kapitel IV, insbes. Art. 50 AI Act und Art. 96 Abs. 1 lit. d) AI Act.
  • Verpflichtung zur Veröffentlichung von jährlichen Berichten über die Einhaltung der Transparenzpflichten durch Anbieter von GPAI-Systemen und anderen relevanten KI-Modellen.
  • Einführung einer spezifischen Beschwerdemöglichkeit für Urheber:innen, ausübenden Künstler:innen und ihre Verbände, analog zum Verbraucherbeschwerdemechanismus in § 8 KI-MIG, um Verstöße gegen Transparenzpflichten geltend machen zu können.
  • Klarstellung, dass Verstöße gegen Transparenzpflichten gemäß Art. 99 Abs. 1 AI Act bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeiten sind.
  • Einrichtung eines Beirats bei der Bundesnetzagentur/KoKIVO, in dem Vertreter:innen der Kreativwirtschaft, Urheber- und Künstlerverbände sowie weitere Rechteinhaber:innen mitwirken, um eine ausgewogene und praxisgerechte Umsetzung sicherzustellen.

Einbindung einer urheberrechtsnahen Fachbehörde (DPMA)

Zur wirksamen Durchsetzung der Transparenzpflichten, soweit urheberrechtlich geschützte Inhalte betroffen sind, sollte als urheberrechtskompetente Bundesbehörde, das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA), in die Aufsichtsstruktur einbezogen werden.

Das DPMA verfügt über einschlägige Fachkenntnisse im Bereich Urheberrecht, Registerführung und Metadaten und könnte als Sonderzuständigkeit innerhalb des KoKIVO (§ 5 KI-MIG) oder im Rahmen einer Kooperationszuständigkeit nach § 9 KI-MIG eingebunden werden.

Damit bliebe die Bundesnetzagentur zentrale Marktüberwachungsbehörde und Anlaufstelle im Sinne von Art. 70 Abs. 2 AI Act, zugleich würde aber gewährleistet, dass die für Urheber:innen entscheidenden Transparenzpflichten (Art. 50, 96 Abs. 2 lit. d) AI Act) fachgerecht überwacht und Verstöße effektiv sanktioniert werden.

Eine solche Lösung verhindert Fragmentierung, stärkt das Vertrauen der Kreativwirtschaft und erhöht die Rechtssicherheit für Anbieter und Nutzer:innen.

Für Rückfragen stehen wir selbstverständlich gerne zur Verfügung.

Initiative Urheberrecht

Katharina Uppenbrink | Geschäftsführung

katharina.uppenbrink@urheber.info

0160 / 9095 4016

stellungnahme-der-initiative-urheberrecht-ki-vo-durchfuhrungsg-10-10-2025_an-bmds.pdf (pdf, 220.06 KB)

Pressekontakt: info@urheber.info