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Diskurs

Mittwoch, 24.04.2024

Welttag des Buchs und des Urheberrechts

Inspirierender Fluss von Gedanken

Am gestrigen Welttag des Buchs und des Urheberrechts veranstaltete die Initiative Urheberrecht einen gut besuchten Parlamentarischen Abend im Berliner Frannz Club.

Der Komponist und Sprecher der Kreativen in der Initiative Urheberrecht, Matthias Hornschuh, kommentiert hier seine Eindrücke des Abends.

Was für ein inspirierender Fluss von Gedanken war das heute!

Monika Pfundmeier fragte: "Wer soll die Geschichten einer für uns alle lebenswerten Zukunft erzählen, wenn wir stets mit bangem Blick prüfen müssen, ob wir einen Platz am Tisch oder auf der Speisekarte haben … sofern wir nicht längst nur noch die Tischdeko sind?"

Der mit zahlreichen Gold- und Platinplatten ausgezeichnete Songrwriter Alexander Freund sprach von Entwertung und Enteignung und wies sehr zu Recht darauf hin, dass Förderung kein adäquates Mittel sein kann, dysfunktionale Märkte und nicht tragfähige Vergütung aufzufangen.

Svetlana Jakel von der Agentur Kombinatrotweiss machte ziemlich unmissverständlich klar, wie dringend wir angesichts aktueller Entwicklungen über eine paradigmatische Weiterentwicklung des Urheberrechts nachdenken müssen: Brauchen wir einen urheberrechtlichen Schutz des Stils, wie auch schon der Rechtswissenschaftler Matthias Leistner überlegte?

Martin Andrée schließlich suchte in seiner Keynote nach dem Geld, welches zwar erwirtschaftet wird, aber nicht bei denen ankommt, die Ausgangspunkt der Wertschöpfung sind. Die Lehnsherren des digitalen Zeitalters haben das „freie Internet“ abgeschafft und kontrollieren als Medienmonopole die digitale Öffentlichkeit: Demokratiedämmerung, Feudalismus, das Ende der Aufklärung.

Nun haben wir diesen Abend zwar kuratiert, aber die roten Fäden haben unsere Referent:innen gesponnen. Dafür an dieser Stelle ein ganz aufrichtiger Dank!

Teilnehmer:innen des Parlamentarischen Abends im Fraanz-Club.

Als Initiative Urheberrecht werden wir immer wieder mal gefragt, ob es denn eigentlich einen belegbaren Schaden gibt, den KI anrichtet, vor allem in Sachen Beschäftigung. Gestern ist eine Studie der britischen Society of Authors, SOA, erschienen. Und nun haben wir den Salat, Entschuldigung: die Evidenz.

- 26% der Illustrator:innen und 36% der Übersetzer:innen haben bereits Arbeit verloren durch GenKI.

- 37% der Ilustrator:innen und 43% der Übersetzer:innen berichten von Einkommensverlusten.

- 65% der fiktionalen Autoren und 57% der nichtfiktionalen glauben, dass GenKI ihre berufliche Zukunft zum Schlechteren verändern wird, während dasselbe sogar 77% der Übersetzer:innen und 78% der Illustrator:innen befürchten.

Jetzt können Sie natürlich erwidern, das sei halt schon immer so gewesen, Sie wissen schon: der Tonfilm, die Droschkenkutscher …

Doch das ist Quatsch. Denn dieses Argument basiert auf der Unterstellung wegbrechender Nachfrage: Die Droschkenkutscher verloren tatsächlich die Nachfrage, als das Automobil sich durchsetzte. Die genannten schöpferisch Tätigen aber - und mit ihnen die Sprecher:innen, Drehbuchautor:innen, Komponist:innen und Textdichter:innen usw. - erleben keinen Nachfrageeinbruch, sondern eine historisch beispiellose 100%-Nachfrage. Die KI-Models, die uns in unserem Markt substituieren sollen, werden nämlich mit unseren Werken trainiert: Mit allen, ausnahmslos, so lange sie digital verfügbar sind.

Wenn der Staat unsere einzige Existenzgrundlage an U.S.-Konzerne verschenkt, die anschließend unsere Werke, ob verhackstückt oder plagiiert, in unserer Volkswirtschaft in hochpreisige Produkte einmauern, dann geht das Recht mit unserem Gerechtigkeitsempfinden nicht mehr zusammen.

Damit nicht genug. Es geht ja gar nicht nur um unser Einkommen. Oder um unsere genauso betroffene Identität. Es geht um sehr viel mehr.

Das Drama, das sich vor unseren Augen vollzieht, betrifft ja nicht „nur“ Künstler:innen, Journalist:innen und Publizist:innen. Betroffen sind vielmehr

* die Kultur im engeren Sinne,

* die Kultur- und Kreativwirtschaft (KKW),

* der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk, der weder zum Einen noch zum Andern gehört, und

* die Wissenschaft.

Denn ausnahmslos alles, was in diesen Bereichen geschieht, basiert auf den Werken und Leistungen schöpferisch Tätiger. Infragegestellt ist also die Inzentivierung jedweder Wissensarbeit. Und das angeblich zugunsten einer wie auch immer gearteten, jedenfalls rein technologisch definierten „Innovation“.

Wie, um Himmels Willen soll das volkswirtschaftlich begründbar sein? Wie soll das volkswirtschaftlich funktionieren?! Zumal gerade jetzt, wo gerade mal wieder die KKW die zweitgrößte Teilbranche der dt. Volkswirtschaft ist?!

Mag schon sein, dass KI eine Zukunftstechnologie ist.

Dann ist es an der Gesellschaft, die Kosten dafür gemeinschaftlich zu tragen - und nicht an einer einzelnen gesellschaftlichen Teilgruppe, die sich vom letzten erzwungenen „Sonderopfer“ der Corona-Jahre noch nicht erholt hat.

Monika Pfundmeier sagte: „Die größten Menschen sind diejenigen, die Anderen Hoffnung geben können.“

Nicht, dass ich mich zu den Größten zählen wollte, aber ich habe intern versprochen, mit einem positiven Ausklang zu enden. Also: „Innovation“ kommt nicht nur von Konzernen und “Start Ups”. Urheber:innen und ausübende Künstler:innen schaffen Neues. Tag für Tag. Unerhörtes, Bedeutendes, Berührendes. Wir alle, vor allem aber Sie in Politik und Verwaltung, können dieses Ökosystem retten. Sorgen Sie für durchsetzbare Rechte, für Transparenz und für Vergütung. Das ist ganz einfach. Und das ist doch mal eine gute Nachricht.

Gruppenfoto: Parlamentarier:innen, Sprecher:innen und IU-Team (Foto @IU/janmichalko) (jpg, 3.48 MB)

Pressekontakt: info@urheber.info