Diskurs
Freitag, 15.02.2019
Wer hat Angst vor Uploadfiltern?
Update | Ein Gespenst geht um in den Feuilletons: es hat den Namen "Uploadfilter" und soll, in seiner extremsten Form, darauf abzielen, "das Internet" zu zensieren, wenn nicht gar abzuschaffen.
Spätestens, seit am 13.2.2019 in Straßburg Ministerrat, Kommission und EU - Parlament eine Einigung über die anstehende Urheberrechtsreform in der EU gefunden haben, wird der Druck erhöht.
Dieses Gespenst spielt die Rolle des "Chlorhühnchens" aus der Debatte um den Handelsvertrag TTIP, der freilich aus ganz anderen und wichtigeren Gründen scheiterte. Die Öffentlichkeit, im Falle der Filter vor allem harmlose Nutzer der großen Plattformen aber auch die professionellen User der Plattformen, Blogger und Influenzer, sollen mobilisiert werden, sich an Politiker zu wenden und diese zu veranlassen, die feindliche Gesetzgebung, natürlich aus Europa, zu stoppen, bzw. zu verhindern, dass die Reform in der im März erwarteten endgültigen Abstimmung des EU - Parlaments zu Fall gebracht wird. Am lautesten äußern sich Politiker, die den Text gar nicht kennen und allenfalls twittern, aber die Probleme noch nie zur Kenntnis genommen haben.
Worum geht es in dieser Kampagne, die von der YouTube Chefin Susan Wojcicki mit einem Blogpost vor einigen Wochen gestartet wurde? Wojcicki, deren Multimilliarden-Unternehmen direkt betroffen ist, blieb aktiv. Sie tauchte dann auch höchst persönlich anlässlich einer Sitzungswoche des EU-Parlaments persönlich in Straßburg auf und sorgte schließlich mit den anderen "Tech Giants" dafür, dass auch die US-Regierung vor einem weiteren feindlichen Akt der ungeliebten EU-Gesetzgebung gegen amerikanische Interessen dramatisch gewarnt und zum Eingreifen aufgefordert wurde.
Es geht im Kern bei dem Getöse um die EU-Richtlinie zum Urheberrecht in der digitalen Informationsgesellschaft, genauer um den ominösen Artikel 13. Die Richtlinie soll in zahlreichen Artikeln Anpassungen der geltenden Gesetzgebung (aus dem Jahre 2001 !) zum Zugang zu Wissen und Bildung, zum Urhebervertragsrecht und zur Position der Zeitungs- und Buchverleger vornehmen. Sie wurde nach langwierigen Beratungen bzw. Verhandlungen im Parlament, im Ministerrat und schließlich im erwähnten "Trilog", dem Vermittlungsverfahren zwischen Rat, EU-Parlament und EU-Kommission, soeben beschlossen. Sie tritt in Kraft, wenn der Ministerrat und das Parlament in getrennten Abstimmungen der Kompromissfassung zugestimmt haben. Die endgültige Formulierung der Richtlinie liegt noch nicht vor, allerdings eine Aufstellung der wichtigsten Fragen und Antworten in einer Formulierung des Parlaments (FAQ).
Artikel 13 zielt auf einen Paradigmenwechsel im Umgang der großen Plattformen wie YouTube und Facebook mit geschützten Werken und Leistungen, die von Marktteilnehmern in kommerzieller Absicht, aber auch von zahlreichen privaten Nutzern, dort zugänglich gemacht werden. Der Hollywoodfilm ist also im Prinzip genau so betroffen wie die Hintergrundmusik beim Katzenvideo.
Bisher gilt die Regel, dass die Plattformen von jeglicher Verantwortung für die Verbreitung von Werken und Leistungen, gleich in welcher Absicht, befreit sind. Rechtsinhabern, deren Werke dort gegen ihren Willen zugänglich gemacht werden, ist es freigestellt, im Falle der ungenehmigten Nutzung ihrer Werke deren Entfernung von der Plattform in Zusammenarbeit mit den Betreibern im "Notice und Take-down-Verfahren" zu verlangen. Dies wird auch meist erreicht - freilich in der Regel mit dem Effekt, dass das fragliche Werke kurz danach von einem anderen Nutzer wieder hochgeladen wird. Sie können sich auch direkt an den Rechtsverletzer wenden. Der Europäische Gerichtshof hat in einer Reihe von Urteilen versucht, das Verhau rechtlicher Regelungen zu lichten, doch eine Regulierung mit Hilfe einer Richtlinie ist absolut notwendig.
Das Haftungsprivileg war ursprünglich durch die E-Commerce im Jahr 2000 geschaffen worden, um das Wachstum der Plattformen ungehindert von rechtlichen Bremsen zu ermöglichen. Dies ist so gut gelungen, dass jetzt, vor allem durch die Umfeld der Verbreitung von Werken geschaltete Werbung, Milliardengewinne generiert werden, allerding im Wesentlichen zu Gunsten der Betreiber und nicht der Werkschöpfer, deren Werke die Gewinne überhaupt erst ermöglichen. Ein "Value Gap" entstand, zu Lasten der Kreativen.
Der Richtlinienentwurf der EU sieht nun vor, das Haftungsprivileg der Plattformen zu beseitigen, um zu erreichen, dass die Gewinne aus der Nutzung geschützter Werke möglichst fair zwischen den Plattformbetreibern einerseits und den Urhebern und Rechtsinhabern andererseits geteilt werden. Als Vehikel schreibt der Entwurf vor, dass Plattformen vor Verbreitung von Werken Verträge mit den Rechtsinhabern, also z.B. den US-Studios für Hollywoodfilme und den Verwertungsgesellschaften für Musik, Text, Film und Bilder schließen sollen, um eine sichere Rechtsgrundlage auch für die Nutzer zu schaffen. Solche Verträge werden heute schon geschlossen; die Gema und YouTube haben sich z.B. nach langjährigen Prozessen auf eine - allerdings geheim gehaltene - Vergütung für musikalische Werke geeinigt, die allerdings von den meisten für unzureichend gehalten wird. Aber viele andere Rechtsinhaber, also aus anderen Bereichen als der Musik wie Film und Kunst, haben aber solche Verträge bisher nicht erreichen können. Erreicht werden oll mit dieser Aufforderung zum Vertragsschluss auch, dass die privaten Endnutzer, die geschützte Werke ohne kommerzielle Absichten hochladen ( die Musik zum Katzenvideo) in Zukunft nicht mehr behindert werden: der für ihre Nutzungen erforderliche Rechtserwerb und die Vergütungszahlungen werden von den Plattformbetreibern erledigt. Dieses System folgt dem Muster der erlaubten Privatkopie gegen Vergütung: auch hier zahlt nicht die kopierende Privatperson, sondern der Gerätehersteller oder - betreiber.
Die Plattformen machen nun geltend, dass es für sie schon wegen der großen Zahl hochgeladener Werke unmöglich sei, mit allen betroffenen Rechtsinhabern Verträge zu schließen.
Da zukünftig die Verbreitung dieser Werke - im Gegensatz zum heutigen Recht - gegen geschriebenes Recht verstieße, müssten sie in diesem Fall die hochgeladenen Werke filtern - eben mit den besagten "Upload- Filtern". Wo gehobelt wird, so sagen sie, fallen Späne: und manche Werke oder zulässig verbreitete Werkteile oder sogar von Nutzern eingestellte Kreationen würden durch den Rost fallen und von der Plattform, vielleicht zu Unrecht, auch entfernt werden. Vordergründig, und meist vorgebracht ohne die Erwähnung der Möglichkeit, die fraglichen Rechte vertraglich zu erwerben und damit bereits vor dem Upload Rechtssicherheit zu schaffen und damit die Filter zu verhindern, verfängt dies Argument, vor allem wenn es mit dem Begriff der "Zensur" verbunden wird. Da drohen, so die Befürchtung, Einschränkungen fundamentaler Freiheitsrechte, die im allgemeinen Verständnis der Geltendmachung des Menschenrechts auf Schutz des Geistigen Eigentums der Urheber und Künstler vorangehen.
Und hier liegt der Hase im Pfeffer: Die populistische Argumentation läßt die Motivation der EU-Richtlinie, durch die Verdeutlichung der Verantwortung der Plattformen die Motivation zum einvernehmlichen Vertragsschluss mit den Urhebern, Künstlern und Rechteinhabern zu schaffen unter den Tisch fallen. Würden sich die Plattformbetreiber wie alle anderen Nutzer von Rechten - Sender, Verleger, Filmproduzenten - auf die üblichen, von der bestehenden Rechtsordnung und von der EU-Richtlinie geforderten Vereinbarungen mit den Urhebern einlassen, gäbe es keine Probleme. Außer einem: sie müssten mehr von ihren Gewinnen abgeben als bisher. Faire, angemessene Vergütungen müssten bezahlt werden und damit würde erreicht, dass diejenigen, deren Werke über die Plattformen verbreitet werden, besser bezahlt würden als bisher; am Ende stünden sie in der Informationsgesellschaft und bei der digitalen Verwertung , wenn alles richtig läuft, jedenfalls nicht schlechter da als im analogen Zeitalter.
Ist das unbillig? Die Urheber und Künstler und viele Verbraucher finden: nein. Wer an einer blühenden Kreativwirtschaft interessiert ist, muss auch dafür sorgen, dass die Kreativen vom Ertrag ihrer Arbeit leben können.
Und die Filter? Wie erwähnt, werden schon jetzt Filter eingesetzt, die auf den von den Plattformen selbst entwickelten Identifikationsverfahren wie "Content ID" oder "Copyright Match" beruhen. Volker Rieck hat dies ausführlich in seinen in der FAZ veröffentlichten Artikeln dargelegt.
Wenn es also nach Inkrafttreten der Richtlinie und ihrer Umsetzung in nationales Recht - das wird etwa zwei Jahre dauern - dazu kommt, dass der Vorrang der Vertragsabschlüsse eingeführt wird, wird erreicht werden, dass nicht nur die schon bisher von den Plattformen mit bestimmten Rechtsinhabern geschlossenen Verträge fortbestehen, sondern auch alle anderen Rechtsinhaber mit den Plattformen Vereinbarungen über die Nutzung, auch über den Umfang und die geschuldeter Vergütung abschließen werden. Die individuellen Nutzer selbst bleiben außen vor: für sie regelt die Plattform den Rechtserwerb, sie brauchen weder Abmahnanwälte noch Filter zu fürchten.
Natürlich läuft ein solcher Systemwechsel nicht von Anfang an reibungslos. Auch die Einführung des Gesetzes gegen Hassmails in Deutschland und die Berücksichtigung der Anforderungen der Datenschutzgrundverordnung in Deutschland haben eine Einführungsphase gebraucht, die teilweise noch nicht abgeschlossen ist. Am Ende jedoch kann mit dem EU-Projekt eine weitgehend reibungslose Rechtsnutzung im Internet erreicht werden, noch dazu eine, die alle Beteiligten zu einer fairen Zusammenarbeit führt und die Gewinne besser verteilt als dies heute der Fall ist.
Es wäre deshalb besser, wenn in Schulklassen, aber auch in Radio - und TV -Sendern und Kulturmagazinen nicht an erster Stelle über Filter und Zensur gesprochen würde, sondern über faire Verträge und Vergütungen zugunsten von Autoren, Künstlern, Musikern, Schauspielern und Comedians und den weiterhin ungehinderten Zugang zum Internet für Millionen kreativer User.
Gerhard Pfennig
Sprecher der Initiative Urheberrecht
Pressekontakt: info@urheber.info
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