Diskurs
Dienstag, 28.11.2023
11. Internationale Urheberrechtskonferenz
Die Politik von heute ist die Zukunft Europas
Die Initiative Urheberrecht veranstaltete am 27.11.2023 ihre 11. Internationale Urheberrechtskonferenz in der Akademie der Künste in Berlin.
140 Präsenz- und 240 Online-Teilnehmer:innen aus den Kulturbranchen und Urheberverbänden, Ministerien sowie zahlreiche Abgeordnete des deutschen Bundestags wie des Europäischen Parlamentes diskutierten über rechtliche, ethische, wirtschaftliche und demokratische Risiken und Nebenwirkung sogenannter generativer KI.
Transparenz, Glaubwürdigkeit, Verantwortung und der Schutz der Demokratie durch die entschiedene Verteidigung des menschlichen Individuums: das sind oft gehörte Appelle auf der eintägigen Jahreskonferenz der Initiative Urheberrecht (IU).
Seit am 9. November 2023 die neue deutsche Haltung zur derzeit verhandelten europäischen KI-Grundverordnung bekannt wurde, in der sich die Mitgliedsstaaten Deutschland, Frankreich und Italien entgegen dem bisherigen Konsens des Trilogs gegeneine konsequente gesetzliche Regulierung zu Transparenz und Kennzeichnungspflicht aussprachen, ist die Beziehung zwischen Kultur und Politik angespannt. KI-Unternehmen sollen nach dem aktuell kursierenden non-paper der drei Regierungen nicht gesetzlich verpflichtet werden, Auskunft über den Inhalt ihrer Foundation Models und damit über Details benutzter Werke geben zu müssen; auch Sanktionen gegen die Verletzung bestehender Urheberrechts-, Persönlichkeitsrechts- oder Datenschutzrechte im Zuge von Scraping und Training seien nicht vorgesehen. Stattdessen sollen nur die Anwendungen reguliert werden.
Entsprechend eindringlich sprachen die 28 Referentinnen und Speaker der Konferenz über die Konsequenzen einer solchen Kursänderung – wie die ungebremste Verbreitung von Deep Fakes, Desinformation, aber auch Vertrauensverlust in Werke, Stimmen oder Nachrichten.
Verpasste Chance, Weltmeister zu werden
„Hier stoßen Vorsicht und Vortrieb aufeinander“, leitete Komponist Matthias Hornschuh, Sprecher der Kreativen in der IU und gemeinsam mit IU Geschäftsführerin Katharina Uppenbrink Moderator der Konferenz, die Debatten am Morgen ein. Sein Fazit am Ende der Veranstaltung: "Die EU ringt um die Weichenstellungen in Richtung Zukunft. Selten haben Politik und Gesellschaft orientierungsloser vor einer im Kern technologischen Entwicklung gestanden, nie vollzog sich eine derartige Veränderung in einem solchen Tempo. Unsere Konferenz war daher die richtige Veranstaltung zum richtigen Zeitpunkt. Wir konnten Problembereiche umreißen, Schadensmeldungen vornehmen und Lösungsansätze auf den Weg bringen. Es wurde klar: Die Rechte der schöpferisch Tätigen sind ihre Existenzgrundlage. Wertschöpfung und Beschäftigung in Kultur, Kreativwirtschaft und Medien gehören genauso zur Wirtschaft wie die wenigen KI-Einzelunternehmen in Europa, zu deren Gunsten Deutschland, Frankreich und Italien den weit fortgeschrittenen europäischen Kompromiss zu opfern bereit sind. Das ist weder verantwortlich noch nachhaltig. Die schöpferisch Tätigen wie auch die Zivilgesellschaft brauchen eine durchsetzbare Transparenzpflicht. An Werken, Leistungen und personenbezogenen
Daten hängen die Grundrechte der Bürger:innen der EU-Mitgliedsstaaten. Demokratie und Menschenrechte sind kein Fortschrittshemmnis."
In einer umjubelten Keynote wies Nina George, Schriftstellerin und Ehrenpräsidentin des European Writers' Council, auf die enge und untrennbare Verknüpfung von Urheberrecht und Freiheit hin: „Freiheit ist anstrengend, vor allem die Konsequenzen der eigenen Entscheidungen, und diese Informatiken sind die Erlösung der überforderten Psyche: endlich nicht mehr selber handeln müssen. Generative KI symbolisiert damit das Ende der individuellen Freiheit.“
Aus Sicht der Kulturbranche wende sich die deutsche Regierung unter Federführung des Digital- und des Wirtschaftsministeriums mit ihrer neuen Haltung gegen den Schutz der Urheber, und „verpasst die einzigartige Chance, dass die EU hätte Weltmeister werden können, indem sie genau zum richtigen Zeitpunkt das Richtige tut“, so der Jurist Prof. Dr. Thomas Höppner. „Selbstregulierung, so wie sie die drei Länder stattdessen vorschlagen, ist naiv: wir können lange warten, bis die Unternehmen Rücksicht auf jene nehmen, an deren Arbeit und Werken sie sich seit zwei Dekaden bedienen, womit sie zugleich die vorhandene Wertschöpfungslücke vertiefen. Wir müssen wissen, was in den Basismodellen ist und wie diese Werke beschafft wurden; das geht nur über verpflichtende Transparenz. Vermeintliche Wirtschaftsvorteile für KI-Start-ups zu proklamieren, überdeckt die Tatsache, dass auch Urheber Start-ups sind, und die Quellen jedes generativen KI-Systems.“
Während der laufenden Konferenz versandte die IU eine Verbändestellungnahme der Kultur-, Medien- und Kreativwirtschaft an die Bundesregierung. Absender sind die 44 Mitgliedsorganisationen des Dachverbands der Initiative Urheberrecht, die rund 140.000 Urheber:innen und ausübende Künstler:innen vertreten, zusammen mit den Verwertungsgesellschaften und zahlreichen Verbänden aus der Presse-, Verlags-, Film- und Musikwirtschaft. Das Schreiben enthält die dringende Bitte, die Auffassung der Bundesregierung zu Transparenzpflichten für KI-Foundation-Modelle nochmals zu überdenken, da für die Kreativ- Branchen diese Weichenstellung zukunftsentscheidend ist.
Einen ausführlichen Bericht der 11. Internationalen Urheberrechtskonferenz von Nina George finden Sie hier: https://urheber.info/diskurs/die-richtige-konferenz-zum-richtigen-zeitpunkt
Lesen Sie das Positionspapier zur europäischen KI-Grundverordnung: Positionspapier zu generativer Künstlicher Intelligenz | Initiative Urheberrecht
Pressekontakt: info@urheber.info
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