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Diskurs

Mittwoch, 24.06.2020

Gesetzentwurf: Upload-Filter werden "weithin überflüssig"

Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) hat einen zweiten Vorschlag zur Umsetzung der restlichen Punkte der Richtlinie über das Urheberrecht im Digitalen Binnenmarkt (DSM-Richtlinie) veröffentlicht.

Gleichzeitig soll damit die Richtlinie über Online-Weiterverbreitung von Rundfunk (Online-SatCab-Richtlinie) umgesetzt werden.

Der Diskussionsentwurf für ein „Zweites Gesetz zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarktes“ (Download) wird begleitet von der Veröffentlichung eines Eckpunktepapiers (Download) und FAQ (Download). In dem Gesetzentwurf geht es schwerpunktmäßig um die Umsetzung von Artikel 17 der DSM-Richtlinie durch ein neues Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz (UrhDaG-E) aber enthält auch die Umsetzung aller weiteren Artikel der DSM-Richtlinie, die nicht bereits mit dem „Ersten Gesetz zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarktes“ (siehe zuletzt News vom 23. Juni 2020) umgesetzt werden sollen.
Beim neuen UrhDaG will das Bundesjustizministerium die verbliebenen Spielräume der DSM-Richtlinie nutzen, um angesichts des neuen Haftungsregimes für Plattformen mit nutzergenerierten Inhalten Upload-Filtern zu begegnen. Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) spricht in ihrer Pressemitteilung von „neuen, innovativen Instrumenten“, um die Upload-Filtern „weithin überflüssig“ zu machen.

Dafür schlägt das BMJV zwei Maßnahmen vor: Einerseits eine Bagatellklausel etwa für Memes für nicht-kommerzielle Zwecke sowie andererseits kollektive Lizenzen analog zur pauschalen Privatkopievergütung mit erweiterter Wirkung. Diese sollen von Verwertungsgesellschaften wie die GEMA oder die VG Wort vergeben werden können.

Die Bagatellgrenzen sind genau festgelegt, damit diese auch durch Upload-Filter einfach „maschinell überprüfbar“ sind. Zulässig sind demnach die öffentliche Wiedergabe und die dafür nötige Vervielfältigungen geschützter Werke von bis zu 20 Sekunden bei Bewegtbildern und Musikstücken und bis zu 1000 Zeichen eines Textes.

Hochgeladen werden dürfen zudem Fotos oder Grafiken „mit einem Datenvolumen von bis zu 250 Kilobyte“. Bei größere Uploads muss der Nutzer die Verwendung lizenzieren. Außerdem sollen sich User beim Upload auf die gesetzlich zulässigen Aktivitäten wie Zitate, Karikaturen, Parodien und Pastiches berufen können, letztere nun neu in einem neuen Paragrafen 51a Urheberrechtsgesetz verankert.

Dies geschieht in einem Verfahren beim Upload, das vom BMJV als „Pre-Flagging“ bezeichnet wird. Ein so gekennzeichneter, hochgeladener Beitrag, soll die Plattform nicht blockieren dürfen. Ausgenommen sind offenkundig rechtswidrige Uploads. Stellen die Algorithmen fest, dass der hochgeladene Inhalt zu mehr als 90 Prozent mit einem vom Rechteinhaber gemeldeten Werk identisch ist, kann der Betreiber den Upload nach wie vor sofort löschen.
Generell orientiert sich das Ministerium am Grundsatz: „Vergüten statt verbieten“ und baut auf eine Art gesetzliche Lizenz. Eine Einigung könnte bei darauf aufbauenden weitergehenden Lösungen nun schneller gehen, da die Portale sich um eine Lizenzierung bei Verwertungsgesellschaften aktiv bemühen müssen, um aus der Haftung herauszukommen.

Für höchstens dreijährige Startups mit einem jährlichen Umsatz in der EU von bis zu 10 Millionen Euro sowie etwa für kleine Diensteanbieter, die bis zu einer Million Euro umsetzen, gelten genauso wie etwa für „nicht gewinnorientierte Online-Enzyklopädien“, Bildungs- sowie Wissenschaftsarchive und Plattformen für die Entwicklung und Weitergabe für quelloffene Software Ausnahmen. Außen vor bleiben zudem Online-Marktplätze und Cloud-Dienste, wenn diese auf Unternehmen ausgerichtet sind oder ihren Nutzern nur das Hochladen von Inhalten für den Eigengebrauch ermöglichen.

Zu den weiteren Regelungen des Diskussionsentwurfs gehören kollektive Lizenzen mit erweiterter Wirkung (Extended Collective Licences, ECL, § 51 VGG-E). Siesollen Nutzungen von Werken auf vertraglicher Basis erleichtern, etwa für Digitalisierungsprojekte. Der Entwurf schafft zum einen eine allgemeine Vorschrift für kollektive Lizenzen mit erweiterter Wirkung. Darüber hinaus wird die Nutzung von „nicht verfügbaren“, d.h. nicht im Handel erhältlichen Werken durch Kultureinrichtungen geregelt (§ 51b VGG-E). Diese Bestimmungen lösen die bisherigen Vorschriften zu den vergriffenen Werken ab. Auf diese Weise können Werknutzer umfassende Lizenzen von Verwertungsgesellschaften zu geringen Transaktionskosten erwerben, und zwar grundsätzlich auch für Werke von Außenstehenden (§ 7a VGG-E). Fehlen repräsentative Verwertungsgesellschaften, so ist die Nutzung nicht verfügbarer Werke auf Grundlage einer gesetzlichen Erlaubnis möglich (§ 61d UrhG-E).

Der Entwurf enthält Anpassungen im Urhebervertragsrecht, etwa zu den Fragen der angemessenen Vergütung (§ 32 UrhG-E), der weiteren Beteiligung des Urhebers (§ 32a UrhG-E), der Auskunft und Rechenschaft des Vertragspartners (§ 32d UrhG-E) sowie in der Lizenzkette (§ 32e UrhG-E), der Vertretung durch Vereinigungen (§ 32g UrhG-E) sowie zu Fragen des Rückrufsrechts wegen Nichtausübung (§ 41 UrhG-E).

Ziel der Online-SatCab-Richtlinie ist es, den grenzüberschreitenden Zugang der europäischen Zivilgesellschaft zu Rundfunkinhalten zu verbessern. In Umsetzung dieser Maßgaben regelt § 20c UrhG-E, dass Sendeunternehmen für bestimmte unionsweit verbreitete Internet-Angebote die Rechte nur noch für den Mitgliedstaat der Europäischen Union erwerben müssen, in dem der Sender seinen Sitz hat. Für qualifizierte Weitersendedienste erleichtert die Reform die Klärung der erforderlichen Urheber- und Leistungsschutzrechte, indem der Rechteerwerb nur noch zentral über Verwertungsgesellschaften erfolgt (§§ 20b und 87 UrhG-E). Zudem bestimmt der Entwurf für das technische Verfahren der Direkteinspeisung, dass hierbei ein gemeinsamer Akt der öffentlichen Wiedergabe von Sendeunternehmen und Signalverteiler (zum Beispiel ein Kabel-unternehmen) anzunehmen ist (§ 20d UrhG-E).

Die Vorschrift zur „freien Benutzung“ (§ 24 UrhG a. F.) wird aufgehoben, da sie durch ein EuGH-Urteil obsolet geworden ist. Die Funktion des § 24 UrhG a. F. als Schutzbereichsbegrenzung übernimmt künftig § 23 UrhG-E. Vervielfältigungen eines visuellen Werkes, an dem das Urheberrecht erloschen ist, genießen künftig keinen Leistungsschutz mehr (§ 68 UrhG-E). Dies erleichtert den Zugang zu gemeinfreien Werken.

Bei Streitigkeiten über die Lizenzierung audiovisueller Werke für die Zugänglichmachung über Videoabrufdienste können die Parteien eine Mediation oder ein anderes Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung einleiten (§ 35a UrhG-E).

Interessenvertreter haben nun die Möglichkeit, bis Ende Juli Stellung zu nehmen. Im Anschluss plant das Justizministerium, möglichst schnell einen Referentenentwurf vorzulegen und einen Beschluss des Bundeskabinetts und des Bundestags zu erzielen.

Pressekontakt: info@urheber.info