Direkt zum Inhalt springen

Diskurs

Freitag, 07.09.2018

244 Änderungsanträge zur zweiten Abstimmung im Europaparlament

Update | Diese Nachricht hat gestern in Brüssel viele überrascht: Insgesamt 244 Änderungsanträge wurden zur zweiten Abstimmung im Europäischen Parlament am 12. September über Urheberrechtsrichtlinie fristgerecht eingereicht. Diese hohe Zahl an Änderungsanträg...

Update | Diese Nachricht hat gestern in Brüssel viele überrascht: Insgesamt 244 Änderungsanträge wurden zur zweiten Abstimmung im Europäischen Parlament am 12. September über Urheberrechtsrichtlinie fristgerecht eingereicht.
Diese hohe Zahl an Änderungsanträgen zeigt nicht nur, das erhoffte Kompromisse etwa zwischen der EVP des Berichterstatters Axel Voss und der S&D-Fraktion um Timo Wölken oder auch mit der liberalen ALDE-Fraktion um Jean-Marie Cavada nicht erreicht wurden und – wie man hört – teilweise in letzter Minute gescheitert sind, sondern hat die Befürchtung wachsen lassen, dass die Abstimmung der Richtlinie im Parlament insgesamt scheitern könnte und sie damit in der bis Mitte 2019 laufenden Amtsperiode scheitern würde.
Das ist vielleicht nicht von den „aufrichtigen Skeptikern“ eines Presseverleger-Leistungsschutzrechts und neuer Haftungs- und Lizenzregelungen für Online-Plattformen mit „User generated content“ (Stichwort: Upload-Filter) beabsichtigt, wohl aber im Interesse des Netzwerks, das die Europaabgeordneten vor der ersten Abstimmung mit Zehntausenden von Mails und Telefonanrufen bombardiert hat (siehe News vom 30. August 2018 – Update). Zu den Finanziers der Kampagne gehört – wie Volker Rieck analysiert hat – „Copyright for Creativity“ (C4C), das vom US-Branchenverband „Computer and Communications Industry Association“ (CCIA) finanziert wird. Hinter diesem stehen Branchenriesen wie Google, Facebook oder Uber. Sie konnten einen ersten Erfolg verbuchen, als das Plenum des Europaparlaments mit einer Mehrheit von 318 zu 278 Stimmen – bei 31 Enthaltungen – der 627 anwesenden EU-Abgeordnete (viele waren abwesend) den JURI-Report von Axel Voss (CDU) als Verhandlungsmandat für den Trilog ablehnte (siehe News vom 5. Juli 2018).
Für die zweite Abstimmung im Plenum am 12. September wiederum um 12 Uhr in Straßburg sind weniger als zwei Stunden vorgesehen (siehe vorläufige Tagesordnung). Das wird bei 244 Änderungsanträgen (Download aller Änderungsanträge) schon zeitlich schwierig. Der Präsident des Europäischen Parlaments, Antonio Tajani (EVP), soll allerdings intern schon erklärt haben, dass die Abstimmung auf alle Fälle am 12. September stattfindet.
Der erste Satz von Änderungsanträgen (Amendment 1 bis 86) entspricht den Axel Voss eingebrachten und mit den Schattenberichterstattern diskutierten Kompromissanträgen, größtenteils auf dem Stand vom Juni 2018. Die neuesten Kompromissanträge von Voss und der EVP (Amendment 137 bis 145 und die folgenden zwei Dateien) folgen erst später. Zwischendrin finden sich eine Vielzahl von Änderungsanträgen (so der GUE/NGL-Fraktion), in denen unter anderem die Streichung von Artikel 11 (Verleger-Leistungsschutz) und 13 (Online-Plattformen) gefordert wird. Sie könnten eine Rolle spielen, wenn bei den beiden Hauptstreitpunkten keine eindeutige Mehrheit im Parlament erreicht wird, denn auch eine Richtlinie ohne beide Punkte ist nicht völlig unvorstellbar.
Viele Unterstützer – auch aus anderen Fraktionen – haben die Änderungsanträge der ALDE-Abgeordneten Jean-Marie Cavada (Amendment 162 bis 165 sowie 215 bis 224) und Marietje Schaake (Amendment 225 bis 234).
Die Europaabgeordnete Julia Reda hat in ihrem Blog alle Anträge zu Artikel 11, 13 und 3 (Text- und Data-Mining) ausgewertet und – aus ihrer Sicht – bewertet. Selbst hat sie für die Fraktion der Grünen nicht nur Änderungsanträge zum Voss-Report gestellt (z.B. Amendment 194 bis 203), sondern bringt auch alle die Regelungen neu zur Abstimmung, für die sich bisher keine Mehrheit im JURI-Ausschuss finden ließ, beispielsweise eine Regelung zur Panoramafreiheit (Amendment 209 bis 214).
Mittlerweile gibt es die meisten Abänderungsanträge auch auf Deutsch im Download. Und es gibt weitere Stellungnahmen zur Abstimmung seitens der Kreativverbände. Die Landesmusikräte Nordrhein-Westfalen, Bayern, Brandenburg, Berlin, Schleswig-Holstein und Thüringen, sowie der Kulturrat Nordrhein-Westfalen fordern die Abgeordneten des EU-Parlaments auf, dem Entwurf der EU-Richtlinie zuzustimmen. Auch der Deutsche Musikrat unterstützt den Appell „Der Entwurf des EU-Urheberrechts schützt die kulturelle Vielfalt und ist keine Zensur“. In seiner aktuellen Pressemitteilung fordert er die Abgeordneten auf, „für ein schnelles Inkrafttreten der Richtlinie zu sorgen“.
Auf Initiative von Frankreichs Kulturministerin Françoise Nyssen haben mehr als 200 Persönlichkeiten aus Politik, Kunst und Medien einen Appell an das Europaparlament für eine Reform des Urheberrechts gestartet. „Das Urheberrecht ist heute in Gefahr, in Frankreich und in der ganzen Welt“, heißt es in dem Aufruf. Internetkonzerne wie Google und Facebook sollen für die von ihnen verbreiteten Inhalte mehr zahlen. 18 große europäische Nachrichtenagenturen, darunter AFP und die Deutsche Presse-Agentur (dpa), forderten gemeinsam, Internetkonzerne wie Google und Facebook nicht nur für die Weiterverbreitung von Kunstwerken oder Bildern, sondern auch für Nachrichten zahlen zu lassen. Zuvor hatten mehr als hundert europäische Journalisten einen offenen Brief des AFP-Reporters Sammy Ketz zur Reform des Urheberrechts im Internet unterstützt.
Von besonderem Gewicht ist ein Aufruf der Authors’ Group an die EU-Abgeordneten, der von 132 Verbänden aus ganz Europa unterzeichnet wurde. „Nach jahrelangen Debatten und Diskussionen haben die Europäische Kommission, die Mitgliedstaaten und eine breite Mehrheit der Abgeordneten wichtige Transparenzbestimmungen unterstützt, die die Verhandlungsposition der Autoren stärken und ihre Vergütung in Verträgen verbessern sollen (Kapitel 3 der Richtlinie), heißt es in dem Aufruf. „Wir fordern deshalb die Abgeordneten auf, Kapitel 3 in ihrer Version des JURI-Berichts zu übernehmen, die das Ergebnis eines überparteilichen politischen Konsenses ist.“

Pressekontakt: info@urheber.info