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Diskurs

Mittwoch, 20.12.2017

"Cab/Sat Regulation": EU-Rat für begrenztes Herkunftslandprinzip

Eine Woche nach dem Parlament hat auch der Rat der Europäischen Union sein Verhandlungsmandat für die Verordnung über Online-Übertragungen von Rundfunkveranstaltern („Sat/Cab Regulation”) beschlossen. Im zentralen Punkt, dem Lizenzerwerb für ergänzende grenzüberschreitende Onl...

Eine Woche nach dem Parlament hat auch der Rat der Europäischen Union sein Verhandlungsmandat für die Verordnung über Online-Übertragungen von Rundfunkveranstaltern („Sat/Cab Regulation”) beschlossen. Im zentralen Punkt, dem Lizenzerwerb für ergänzende grenzüberschreitende Online-Dienste (etwa Mediatheken), haben sich die Mitgliedstaaten auf ein begrenztes Herkunftslandprinzip verständigt, vertreten also eine Kontraposition zum Parlamentsbeschluss.
Auf diese Verhandlungsposition hat sich der Ausschuss der Ständigen Vertreter (COREPER) am 19. Dezember 2017 geeinigt. Mit diesem Votum schließt sich der Rat im umstrittenen Artikel 2 allerdings nicht ganz dem Verordnungsvorschlag der EU-Kommission von September 2016 an, die für „ergänzende Online-Dienste” von Rundfunkveranstaltern das Herkunftslandprinzip (in der Verordnung: Ursprungslandprinzip) vorgesehen hatte (siehe News vom 2. September 2016). Danach hätten Fernsehsender die Online-Rechte eines Films beispielsweise für Mediatheken-Angebote nur noch für ein EU-Mitgliedsland erwerben müssen, den Abruf dieses Films aber in ihrem Online-Angebot im gesamten EU-Binnenmarkt ermöglichen können.
„In der Verhandlungsposition des Rates ist der Geltungsbereich des Ursprungslandprinzips begrenzter als im Kommissionsvorschlag”, heißt es in der Pressemitteilung des EU-Rates. „Im Text des Rates ist vorgesehen, dass alle Sportveranstaltungen sowohl für Radio- als auch für Fernsehprogramme ausgeschlossen sind.” Für Fernsehprogramme soll das Herkunftslandprinzip ausschließlich auf Filme und Serien angewendet werden, die von den Rundfunkveranstaltern finanziert und kontrolliert werden. Co-Produktionen mit Dritten sollen genauso ausgenommen sein wie alle Inhalte, an denen die Rundfunkveranstalter die Rechte von Dritten erwerben. „Ziel des Vorschlags ist es, im Interesse der Verbraucher für eine weitere Verbreitung von Fernseh- und Hörfunkprogrammen aus anderen EU-Mitgliedstaaten zu sorgen, indem die Lizenzierung von urheberrechtlich geschützten Werken, die Gegenstand der Übertragung der jeweiligen Programme sind, erleichtert wird.”
Damit bewegt sich der Rat auf ähnlicher Linie wie ein Kompromissvorschlag für die Verordnung, den die estnische Präsidentschaft des Europäischen Rates am 10. Oktober vorgelegt hatte. Und wie der Kompromissantrag im Rechtsausschuss (JURI) des niedersächsischen SPD-Europaabgeordneten Tiemo Wölken, der nicht generell am Herkunftslandprinzip rüttelte, dieses aber auf audiovisuelle Werke beschränken wollte, die von Rundfunkveranstaltern „in Auftrag gegeben und vollständig finanziert” werden (siehe News vom 27. Oktober 2017).
Wölken, der schon bei der Abstimmung im federführenden Rechtsausschuss unterlegen war und im Parlament den Antrag gestellt hatte, über den Text und das Mandat neu zu beschließen (siehe News vom 8. Dezember 2017) legte sein Mandat als Verhandlungsführer für das Parlament nieder, nachdem das Plenum des Europäischen Parlaments für einen weitgehenden Erhalt des Territorialprinzips ausgesprochen hatte (siehe News vom 13. Dezember 2017).
Mit dem Votum des Europäischen Parlaments wird das Territorialprinzip in dem von Konservativen und Liberalen durchgesetzten JURI-Beschluss gegen das von der Herkunftslandprinzip gleich in der Überschrift von Artikel 2 auf Nachrichtenprogramme beschränkt: „Anwendung des Prinzips des Herkunftslandes auf Online-Dienste für Sendungen von Nachrichten und Nachrichtenprogramme” heißt es da (eigene Übersetzung aus dem Englischen). Bei der Festsetzung der Höhe der Zahlung für die Rechte an die Produzenten sollen die Parteien zwar alle Aspekte des ergänzenden Online-Dienstes berücksichtigen, „wie z. B. die Merkmale des Online-Serviceangebots, einschließlich der Dauer der Online-Verfügbarkeit, der Zielgruppe und aller verfügbaren Sprachversionen”, können sich allerdings auch „weiterhin auf die Einführung von Beschränkungen für die Verwertung der ... Rechte einigen, sofern diese Beschränkungen im Einklang mit dem Unionsrecht und dem einzelstaatlichen Recht stehen.”
Auch der Bundesrat hat vor wenigen Tagen in einem Beschluss eine „Ausweitung des Anwendungsbereichs der Verordnung auf sämtliche Online-Dienste im offenen Internet” abgelehnt. Die territoriale Rechteverwertung müsse als essenzieller Bestandteil von Finanzierung und Refinanzierung erhalten bleiben. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, dies im Rahmen der weiteren Verhandlungen zu berücksichtigen.
Keine Aussagen gibt es seitens des EU-Rates zur Frage eines unabtretbaren, durch Verwertungsgesellschaften zu verwaltenden Vergütungsanspruches für Urheber und Künstler für die Nutzung in „ergänzende Online-Diensten” von Rundfunkveranstaltern. Auch findet sich nichts zu der für die audiovisuellen Urheber und Künstler wichtige Regelung über die „Ausübung der Weiterverbreitungsrechte durch andere Rechteinhaber als Rundfunkveranstalter” in Artikel 3 der Verordnung. Hier geht es auch darum, die bisherige Kabelweiterverbreitung auf andere Weiterverbreitungstechniken als dem Kabel zu erweitern (so Direkteinspeisung), um ihnen auch künftig die nicht unbeträchtlichen Lizenzeinnahmen aus der Weiterverbreitung ihrer Werke zu sichern. Dies ist sowohl im Vorschlag der EU-Kommission wie auch im JURI-Beschluss nur unzureichend gelungen.
Die Verhandlungen zwischen Vertretern der Mitgliedsstaaten, des EU-Parlaments und der EU-Kommission sollen Anfang 2018 beginnen, allerdings muss der Rechtsausschuss vorher noch einen neuen Verhandlungsführer bestimmen.

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