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Diskurs

Donnerstag, 02.02.2017

Urheberrechtspaket der EU: Stellungnahme der Ini beschlossen

Die Initiative Urheberrecht hat ihre erste Stellungnahme zu den Vorschlägen der EU-Kommission zum Richtlinienvorschlag der EU über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt (COM (2016)596 final) sowie zum Vorschlag für eine Verordnung in Bezug auf bestimmte Online-Verbreitunge...

Die Initiative Urheberrecht hat ihre erste Stellungnahme zu den Vorschlägen der EU-Kommission zum Richtlinienvorschlag der EU über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt (COM (2016)596 final) sowie zum Vorschlag für eine Verordnung in Bezug auf bestimmte Online-Verbreitungen (COM (2016) 594 final) überarbeitet und ergänzt und am 2. Februar 2017 beschlossen.

Stellungnahme der Initiative Urheberrecht
zum Richtlinienvorschlag der EU – COM (2016)596 final – über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt
sowie zum Vorschlag für eine Verordnung in Bezug auf bestimmte Online-Verbreitungen – COM (2016) 594 final – (Titel verkürzt)

Allgemeine Anmerkungen

Die Initiative Urheberrecht begrüßt, das die Kommission in ihren Vorschlägen den Versuch unternimmt, das Urheberrecht an die Anforderungen der digitalen Wirtschaft anzupassen. Erstmals sieht sie die Notwendigkeit sieht, die Ansprüche der UrheberInnen und ausübenden KünstlerInnen* auf angemessene Vergütung für die Nutzung ihrer Werke durch konkrete Vorschläge zu stärken.
Im Folgenden beschränken wir uns auf Stellungnahmen zu den aus unserer Sicht wichtigsten Punkte einer Neuregelung; ein ausführlicher Kommentar zu den einzelnen Punkten des Richtlinien- bzw. Verordnungsvorschlags folgt.

1. Nutzung geschützter Inhalte in Online-Diensten / „user uploaded“ und „user generated content“ (Art. 13)

Online-Dienste (z.B. Youtube) ermöglichen in vielen Fällen ihren Nutzern die rechtswidrige Aneignung fremder geschützter Werke und Leistungen, z.B. in Form des „user uploaded“ bzw. „user generated content“. Die Verantwortlichkeit für derartige Handlungen ist nicht eindeutig geklärt. Die deutsche Rechtsprechung geht bisher davon aus, dass es sich nicht um eigenständige Nutzungshandlungen der Plattformbetreiber handelt; für die Rechteinhaber sind aber die nach dieser Auffassung handelnden Rechtsverletzer, die Nutzer der Plattformen (im folgenden „Verbraucher“), in aller Regel nicht erreichbar.
Diese nicht genehmigten Nutzungen beeinträchtigen die Geschäftsmodelle der Urheber und ausübenden Künstler und stellen eine Konkurrenz zu legalen Nutzungen dar.
Sinnvoll wäre deshalb, wenn in der Richtlinie klargestellt würde, dass es sich bei diesen Plattformen ebenfalls um solche handelt, die selbst eine Nutzung vornehmen und deshalb nicht Art. 14 der E-Commerce-RL unterfallen.
Andernfalls liegt nahe, die Plattformbetreiber ausgehend vom Rechtsgedanken der „Störerhaftung“ in Anspruch zu nehmen, zumal die mit den Rechtsverletzungen verbundenen Erlöse aus Werbung und anderen Verwertungen den Plattformbetreibern zufließen. Hier ist eine Abgrenzung zwischen den Regelungen der E-Commerce-Richtlinie und der InfoSoc-Richtlinie vorzunehmen, auf die der Entwurf jedoch keinen Bezug nimmt.
In jedem Fall sollte die Regulierung dieser Nutzungshandlungen auf Plattformen durch die Richtlinie der EU dazu führen, dass den Urhebern, ausübenden Künstlern und sonstigen Rechteinhabern für derartige Nutzungen die Möglichkeit eröffnet wird, angemessene Vergütungen zu erzielen, weil derartige Nutzungen unmittelbar in ihre Geschäftsmodelle eingreifen. Gleichzeitig muss Ziel einer Neuregelung sein, Rechtssicherheit für die Verbraucher zu schaffen und Grauzonen bzw. Schlupflöcher zu beseitigen.
Der Kommissionsvorschlag, der lediglich darauf abzielt, den Abschluss von Verträgen zwischen Plattformbetreibern und Rechteinhabern zu vermitteln, greift zu kurz, weil es nicht absehbar ist, dass die Plattformbetreiber sich auf dieses Modell überhaupt einlassen werden. Der Entwurf fördert letztlich nur den klassischen Verbotsprozess, der von den Nutzern auf breiter Front abgelehnt wird.
Richtig daran ist allerdings, dass es wichtig ist zu unterscheiden zwischen der Nutzung ganzer, lizensierungsfähiger Werke und der Nutzung von Werkteilen bzw. kleinen Werken und Abbildungen, die sich einer individuellen Identifizierung und Lizensierung durch die Urheber entziehen.
Aus unserer Sicht liegt deshalb nahe, insbesondere für den zweiten Fall Vergütungsmodelle unter Einschaltung von Verwertungsgesellschaften vorzusehen. An die Einführung einer Schranke mit Vergütungspflicht wäre zumindest dann zu denken, wenn die Nutzungen Dritter auf Plattformen dem ökonomischen Interesse des Plattformbetreibers dienen, wobei entsprechende Differenzierungen erforderlich sind. Die deutschen Urheberrechtler Prof. Leistner und Prof. Metzger haben einen entsprechenden Vorschlag in zusammengefasster Form in der FAZ vom 3. Januar 2017 veröffentlicht, den wir beifügen.
Wichtig bei diesen Überlegungen ist, dafür Sorge zu tragen, dass der Anspruch der Urheber und ausübenden Künstler der genutzten Rechte auf präzise definierte Nutzungen beschränkt wird und außerdem nicht gegen die individuellen Nutzer, sondern gegen die Plattformbetreiber geltend gemacht werden können. Ferner muss deutlich gemacht werden, dass es nicht nur um das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung („Online-Recht“) geht, sondern dass in jedem Fall auch in Vervielfältigungsrechte eingegriffen wird.
Bestehende Verfahren zur Lizensierung von Werken und zur Beseitigung von Rechtsverletzungen – z.B. durch „Notice und take down“ – müssen darüber hinaus unberührt bleiben.
Nur aufgrund dieser Überlegungen kann die gewünschte Rechtssicherheit für die Verbraucher, die Plattformbetreiber und die Rechteinhaber geschaffen werden. Sie führen zu angemessenen Vergütungen für Urheber und Rechteinhaber, die von Verwertungsgesellschaften verwaltet werden sollten.

2. Verfügbarkeit audiovisueller Inhalte auf Video on Demand Plattformen (Art. 10)

Die Initiative Urheberrecht unterstützt die Bestrebungen der Kommission, Werke über Online-Plattformen in verstärktem Umfang begrenzt auf bestimmte Nutzungen grenzüberschreitend zugänglich zu machen.
Dies darf jedoch nur geschehen, wenn sichergestellt ist, dass die Urheber und ausübenden Künstler angemessen an Erlösen und Vorteilen für die Nutzungen beteiligt werden. Im Übrigen muss vermieden werden, weiter in das insbesondere für die Verwertung audiovisueller Produktionen ökonomisch wichtige Territorialitätsprinzip einzugreifen. Die derzeit für die Mediathekennutzung z. B. in Deutschland geltenden Einschränkungen sollten nicht erweitert werden, insbesondere nicht die zeitliche Beschränkung der Nutzung.
Die missverständliche Ausnahme der Hyperlinks sollte gestrichen werden.
Für die Urheber und ausübenden Künstler fehlt es weniger an entsprechenden Inhalten, als an einer angemessenen Vergütung. Die Produzenten audiovisueller Inhalte sind durchaus in der Lage, entsprechende Lizenzvereinbarungen mit den Plattformen abzuschließen. Jedoch können die mit Buy-out-Verträgen gegen Einmalzahlungen konfrontierten Urheber und ausübenden Künstler in der Regel vertraglich nicht durchsetzen, dass sie an den generierten Erlösen und Vorteilen angemessen beteiligt werden. Die entsprechenden Vorschläge der Richtlinie zur Stärkung der urhebervertragsrechtlichen Position in ihrer bisherigen Form lassen hier keine ausreichende Abhilfe erwarten.
Die Werke, die Urheber und ausübenden Künstler schaffen, und ihre Nutzbarmachung sind ein wesentlicher Treiber der Digitalisierung. Dem trägt die Rechtslage allerdings nicht Rechnung. Ökonomisch sehen sich Urheber und ausübende Künstler trotz der wirtschaftlichen Bedeutung ihrer Werke deshalb mit wenigen Ausnahmen als Verlierer der Digitalisierung. Wurden ihre Filme früher in Videotheken vermietet, stand ihnen aufgrund der Vermiet- und Verleihrichtlinie ein unverzichtbarer verwertungs-gesellschaftspflichtiger Vergütungsanspruch gegen den Videovermieter zu, der unabhängig von der Vertragssituation zu zahlen war. Werden nun dieselben Filme nur wegen der Änderung des Verbraucherverhaltens nahezu ausschließlich im Streaming-Verfahren auf Online-Plattformen angeboten, fehlt es an dem entsprechenden unverzichtbaren Vergütungsanspruch, denn bisher wird das Streaming nicht als neue, Erlaubnis – und vergütungspflichtige Nutzungsart betrachtet.
Um den Urhebern, zu deren Gunsten keine Tarifverträge oder Vergütungsregeln bestehen, auch weiterhin eine angemessene Vergütung zu sichern, ist die Einführung bzw. Sicherung dieses Anspruchs z.B. durch Einführung eines verwertungsgesellschaftspflichtigen Vergütungsanspruchs für die Online-Nutzung, sei es auf audiovisuellen oder Audio-Plattformen, zwingend erforderlich.
In der jetzigen Fassung stößt die Realisierung eines derartigen Anspruchs auf angemessene Vergütung wegen der in den Mitgliedsstaaten unterschiedlichen urhebervertraglichen Rechtslage jedoch auf praktische Schwierigkeiten. Deshalb sollte der Vorschlag ergänzt werden. Die Vermietrichtlinie (92/100/EEC) bietet ein anwendbares Modell in Art. 4, indem sie für bestimmte Fälle ein nicht übertragbares Recht der Urheber oder ausübenden Künstler auf angemessene Vergütung vorsieht, das von einer Verwertungsgesellschaft verwaltet wird.
Die Initiative Urheberrecht unterstützt deshalb Überlegungen, die darauf zielen, zwar den Produzenten, ggf. auch Sendeunternehmen, die Entscheidung über die Online-Bereitstellung der Werke zu überlassen. Sie sollen auch weiterhin darüber entscheiden, ob die entsprechenden Rechte der Zugänglichmachung eingeräumt werden. Die Befugnis zur Einräumung der Nutzungsrechte muss allerdings flankiert werden vom unverzichtbaren Vergütungsanspruch der Urheber und Künstler.
Die Vergütungsansprüche der Kreativen für die folgende Nutzung, die in vielen Fällen gar nicht Gegenstand der ursprünglichen, der Produktion der audiovisuellen Werke zu Grunde liegenden Verträge ist, sollten zentral von den zuständigen Verwertungsgesellschaften verwaltet werden, die über ein Netzwerk der internationalen Zusammenarbeit auf der Grundlage der Richtlinie der EU über die kollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten (2014/26/EU) verfügen. Entsprechende Vorschläge haben die SAA (Society of Audiovisual Authors) und für die ausübenden Künstler die „Fair Internet Campaign“ gebildet, ein Zusammenschluss der Künstlerverbände Verband Europäischer Verwertungsgesellschaften der ausübenden Künstler (AEPO-ARTIS), Europäischen Gruppe der Internationalen Schauspieler Vereinigung (FIA), Europäische Gruppe des Internationalen Musiker Verbandes (FIM) und Internationale Künstlerorganisation (IAO) unterbreitet.

3. Notwendige Ergänzungen der Rechtslage aufgrund neuerer Entscheidungen des EuGH zur digitalen Nutzung geschützter Werke

Die Kommission versäumt es, in ihren Vorschlägen zur Rechtsprechung des EuGH und nationaler Obergerichte zu Fällen der Verlinkung Stellung zu nehmen, insbesondere zur Problematik der Hyperlinks und des Framing. Die Gerichte haben diese Nutzungen allein unter technischen Gesichtspunkten beurteilt und übersehen, dass es sich in den meisten Fällen um zusätzliche Nutzungen kreativer Inhalte durch Dritte handelt, die im ursprünglichen Nutzungsvertrag nicht vorgesehen waren, für die die weiteren Nutzer mit den Rechteinhabern keine Vereinbarungen getroffen haben und keine Vergütungen zahlen. Die französische Regierung hat in einem besonders kritikwürdigen Punkt, nämlich zur Vermeidung der für die Urheber negativen Folgen des „Framing-Urteils“ bereits ein Gesetz verabschiedet, das der Kommission zur Prüfung vorliegt (Änderung des Artikel 30 Urheberechtsgesetz). Hier ist zu ergänzen, dass in jedem Fall bei professioneller bzw. kommerzieller Nutzung von Werken durch Framing nicht auf technische Schutzmaßnahmen verwiesen werden darf, sondern eine Vergütungspflicht erreicht werden muss.
Insgesamt muss z. B. unterschieden werden zwischen dem zulässigen Hinweis auf fremde Webseiten mittels linklisten und der faktischen Übernahme von Inhalten fremder Webseiten ohne Kenntnis und Zustimmung der Rechteinhaber der Werke, die auf der ursprünglichen Website zugänglich gemacht werden.
Ohne diese geforderte Klarstellung des Begriffs der „Zugänglichmachung“ in der Form, dass auf den Willen des Rechtsinhabers bei der ersten Zugänglichmachung abgehoben wird, bleibt die Richtlinie unvollständig. Zahlreiche praktische Probleme, insbesondere in Bezug auf die Geltendmachung der angemessenen Vergütung, werden deshalb von der Rechtsprechung zum Nachteil der Urheber und Rechteinhaber gelöst.
Insgesamt bedarf die vorgeschlagene Richtlinie der Ergänzung und Bezugnahme auf die InfoSoc-Richtlinie, insbesondere in Form von Klarstellungen. Dabei kommt es vor allem darauf an, das in Art 3 Abs. 1 der InfoSoc-RL geregelte Recht der „öffentlichen“ Zugänglichmachung zeitgemäß ergänzend zu definieren, da der Begriff der Öffentlichkeit einem ständigen Wandel unterliegt.

4. Online-Übertragungen von Rundfunkveranstaltern (Art. 2)

Urheber und ausübende Künstler haben keine Einwände gegen Online-Übertragungen von Rundfunkveranstaltern, weil sie an der Verbreitung ihrer Werke interessiert sind.
Sie sind jedoch darauf angewiesen, dass erweiterte Nutzungen ihrer Werke auch zu entsprechend höheren Vergütungen führen.
Die unterschiedliche Rechtslage in den Mitgliedsstaaten hat jedoch dazu geführt, dass in der Praxis bisher viele zulässige grenzüberschreitende Nutzungen und die Erweiterung der Nutzungsmöglichkeit insgesamt zwar zu zusätzlichen Einnahmen bei den Inhabern übertragener Rechte, insbesondere Sendern und Produzenten geführt haben, die Urheber jedoch aufgrund der Vertragskonstruktion in vielen Staaten von den zusätzlichen Erträgen aus der Verwertung ihrer Werke dort ausgeschlossen blieben.
Solange eine angemessene Vergütung für Nutzungen ihrer Werke im Ausland durch Online- Übertragungen nicht gesichert ist, unterstützen die Urheber und ausübenden Künstler deshalb die Einführung bzw. Anwendung des Ursprungslands – Prinzips, da dieses ihnen dann in jedem Fall die Chance sichert, „an der Quelle“ die Zahlung der angemessenen Vergütung durchzusetzen. Dies gilt insbesondere für die hierin eingeschlossene Mediathekennutzung.
Wir gehen weiter davon aus, dass der Bezug auf die Kabel- und Satellitenrichtlinie die Notwendigkeit der technologieneutralen Anpassung dieser Richtlinie einschließt.

5. Faire Vergütung / Urhebervertragsrecht (Art. 14 – 16)

Die Initiative Urheberrecht begrüßt, dass die Kommission, auch aufgrund der andauernd vorgetragenen Argumente und Studien der europäischen Organisationen der Urheber und ausübenden Künstler anerkennt, dass konkrete Regelungen des Urhebervertragsrechts auf der Ebene des Gemeinschaftsrechts erforderlich sind, um die Kreativen zu stärken und das Prinzip der angemessenen Vergütung der Urheber für jede Nutzung ihrer Werke durchzusetzen.
Die Vorschläge der Kommission, die darauf zielen, den Urhebern die gesetzliche Möglichkeit zu sichern, Informationen über den Umfang der nach Vertrag möglichen Nutzungen nach Art und Umfang und erzieltem Ertrag zu erlangen, um daraus die hieraus folgende angemessene Vergütung fordern zu können, weisen in die richtige Richtung. Sie sind jedoch nicht weitgehend und effizient genug, wie besonders die kürzlich in Deutschland verabschiedete Ergänzung des Urhebervertragsrechts zeigt.
So fehlt im Kommissionsentwurf z.B. beim Informationsrecht die Möglichkeit des Zugriffs auf einen weiteren Verwerter in der Kette, das Recht auf Rückruf der eingeräumten Rechte nach einer gewissen Laufzeit der Lizenz.
Der Vorschlag, Beiträge, die „nicht erheblich“ sind, von den Verpflichtungen auszunehmen, ist in dieser undifferenzierten Formulierung nicht akzeptabel, weil er Umgehungen Tür und Tor öffnet. Er sollte als überflüssig gestrichen und ersetzt werden durch eine Formulierung, die gemeinsame Vereinbarungen zwischen Vertretern der Urheber und der Verwerter je nach Branchenspezifizierung ermöglicht, z.B. nachdem Vorbild der deutschen Regelung. Nur so lässt sich die Angemessenheit auch branchenspezifisch und planungssicher definieren.
Die Initiative Urheberecht begrüßt in diesem Zusammenhang den Hinweis auf die Notwendigkeit von Streitschlichtungsmechanismen, um die von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen zur Stärkung der Urheber durchzusetzen.
Auch dieser Vorschlag greift jedoch zu kurz, wenn er auf weitgehend freiwillige Verfahren setzt. Die in Deutschland gesetzlich geregelte, aber verbesserungsbedürftige Praxis, durch „Allgemeine Vergütungsregeln“ zwischen Organisationen der Urheber und ausübenden Künstler und Produzenten oder durch Tarifverträge die Voraussetzungen für die Festsetzung der Vergütungen und damit auch für Streitschlichtungsmaßnahmen, die über die gesetzlichen Möglichkeiten hinausgehen, zu schaffen, wird der Kommission als verbindlicher Maßstab zur Feststellung der Angemessenheit der Vergütung als Modell zur effizienten Ergänzung ihrer Vorschläge empfohlen.
In jedem Falle sehen wir angesichts weitergehender nationaler Regelungen die Kommissionsvorschläge lediglich als Mindestregelungen; dies sollte auch im Test der Richtlinie verdeutlicht werden, um Missbräuche zu vermeiden.
Die Kommission sollte auch bedenken, das in manchen Mitgliedsstaaten kartellrechtliche Bedenken gegen derartige Vereinbarungen ins Feld geführt werden und ggf. Ausnahmen von diesen Vorschriften für urhebervertragsrechtliche Regelungen zum Schutz der verhandlungsschwächeren Kreativen empfehlen.
In Bezug auf Art 15 bitten wir um die Klarstellung, dass es im Urhebervertragsrecht in jedem Fall um „Vergütungen“ geht, die, auch nicht im Zusammenhang mit der Bestimmung von Vergütungen für die Nutzung von Schrankenregelungen, als Regulierung von „Schäden“ betrachtet werden dürfen.

6. Verlegerbeteiligung / Leistungsschutzrecht für Presseverlage

a. Verlegerbeteiligung (Art 12)

Die Initiative Urheberrecht unterstützt eine Beteiligung der Verleger, die nicht Presseverleger sind, auch ohne eigenes Leistungsschutzrecht im Rahmen des Kommissionsvorschlags nur unter zwei Bedingungen:

  • Die Vergütungen aus Schrankenregelungen müssen von einer gemeinsamen Verwertungsgesellschaft auf der Grundlage eines gemeinsam beschlossenen Verteilungsplans und ohne Berücksichtigung vorangegangener Abtretungen verwaltet werden.
  • Diese Regelung ferner ist nur akzeptabel, wenn die urhebervertragsrechtliche Situation der Urheber gegenüber den Verlegern durch Erweiterung der Vorschläge in Art. 14 und 15-.so gestärkt wird, dass sie zukünftig vollumfänglich an der Verwertung ihrer Werke z.B. durch Ausbau der Informations- und Rechte auf angemessene Vergütung sowie auf Vertragsanpassung beteiligt werden und dass Buy-out-Verträge weitgehend ausgeschlossen sind.

Zu bedenken ist ferner, dass die Einführung einer Verlegerbeteiligung unter Berücksichtigung der jüngsten Rechtsprechung des EuGH (Reprobel) die Ergänzung der InfoSoc-Richtlinie in geeigneter Form, z.B. durch Erweiterung der Liste der Begünstigten in Art. 2 erfordert.
Unklar ist allerdings das Verhältnis der Verlegerbeteiligung (Art. 12) zum Leistungsschutzrecht für Presseverlage (Art. 11). Wenn die Presseverleger ein eigenes Leistungsschutzrecht erhalten, benötigen sie nicht einen weiteren, ggf. zusätzlich geltend gemachten Beteiligungsanspruch im Sinne des Artikel 12, denn dieser könnte zu einer unangemessenen doppelten Vergütung führen. Dies sollte in Art. 12 ausdrücklich klargestellt werden.

b. Leistungsschutzrecht für Presseverlage (Art. 11)

Die Initiative Urheberrecht unterstützt prinzipiell Bemühungen, Plattformbetreiber, insbesondere kommerzielle Nachrichtenaggregatoren, dazu zu veranlassen, fremde Urheberrechte zu respektieren und ihre Erlöse mit den Rechtsinhabern in angemessenem Verhältnis zu teilen (siehe Punkt 1 dieser Stellungnahme). Dabei muss aber im Zusammenhang mit dem Entwurf zu Art. 11 sichergestellt werden, dass die Erlöse nicht allein den Presseverlagen zu Gute kommen, sondern dass die Urheber ganz generell angemessen beteiligt werden und nicht durch die üblichen „Buy-out-Verträge“ gezwungen werden, auf Vergütungen zu verzichten.
Wir haben insgesamt Zweifel, ob gerade angesichts der Einführung eines Beteiligungsanspruchs für Verlage (Art. 12) ein Leistungsschutzrecht der Presseverlage ohne Einführung eines generellen Leistungsschutzrechts für Verlage ganz allgemein eine sinnvolle Lösung der Problematik darstellt. Wäre die Frage der Verantwortlichkeit der Plattformbetreiber eindeutig geklärt, könnte die Frage des Presseleistungsschutzrechts sich möglicherweise erledigen.
Deshalb bedarf es zunächst grundsätzlicher Prüfungen der Sinnhaftigkeit dieses Instruments zur Lösung der vorliegenden Problematik und ferner der Prüfung, ob ein Leistungsschutzrecht, sollte seine Einführung erwogen werden, besser ganz generell für alle verlegerischen Leistungen und nicht nur im Hinblick auf eine überschaubare Nutzung eingeführt werden sollte.

Prof. Dr. Gerhard Pfennig
Sprecher der Initiative Urheberrecht

  1. Februar 2017
  • Im Folgenden wird der besseren Lesbarkeit wegen nur die männliche Form verwendet.
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Pressekontakt: info@urheber.info