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Diskurs

Montag, 03.07.2017

Bundestagswahl 2017: Rechte der Urheber und Künstlerinnen stärken!

Grundgesetz und Urheberrechtsgesetz garantieren Urheber*innen und ausübenden Künstler*innen* die Integrität ihrer Werke und die Möglichkeit, ihre wirtschaftliche Existenz auf eine angemessene Vergütung aus der Nutzung ihrer Werke zu gründen. Urheber und ausübende Künstler wol...

Grundgesetz und Urheberrechtsgesetz garantieren Urheberinnen und ausübenden Künstlerinnen* die Integrität ihrer Werke und die Möglichkeit, ihre wirtschaftliche Existenz auf eine angemessene Vergütung aus der Nutzung ihrer Werke zu gründen.
Urheber und ausübende Künstler wollen und benötigen wie alle Bürgerinnen und Bürger eine freiheitliche und effiziente Informations- und Kommunikationsstruktur des Internets.
In der ablaufenden Legislaturperiode – 2013 – 2017 – sind mehrere Gesetzgebungsprojekte zur Stärkung der Urheber und ausübenden Künstler sowie zur Anpassung des Urheberechts an die Erfordernisse der digitalen Gesellschaft beschlossen worden. Besonders die Reform des Urhebervertragsrechts hat positive Ergebnisse erbracht, ist jedoch noch nicht abgeschlossen. Erforderlich ist die Erweiterung der Vorschriften zur Stärkung des individuellen und des kollektiven Vertragsrechts auch auf der Ebene der EU. Wir fordern, dass die Bundesregierung sich hier weiterhin engagiert.
In der aktuellen Debatte um die Zukunft des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft hat das Verständnis für die Wahrung der Persönlichkeits- und Vermögensrechte der Urheber und ausübenden Künstler zugenommen. Wichtig ist nun insbesondere, dieses Verständnis auch in die im Rahmen der EU-Gesetzgebung begonnene und vielschichtige Diskussion um die Regulierung der Plattformökonomie einzubringen, denn, dies zeigen auch neuere Entscheidungen deutscher und internationaler Gerichte, auf diesem Gebiet besteht erheblicher Reformbedarf.
Urheber, ausübende Künstler und ihre Organisationen wollen in der „Initiative Urheberrecht“ auch in den folgenden Jahren dazu beitragen, das Urheberrecht weiterzuentwickeln und neuen Anforderungen der Bürger bzw. der Nutzer ihrer Werke gerecht zu werden.

Respekt für geistige Leistung und künstlerische Arbeit kennzeichnet eine demokratische Gesellschaft
Initiative Urheberrecht: Rechte der Urheberinnen und Künstlerinnen stärken!

1. Ausnahmeregelungen für Schule, Bildung und Wissenschaft funktionsfähig machen
Vor allem in den letzten Jahren ist das kritische Verhältnis von Schülern, Lehrern, Studenten und Wissenschaftlern zum Urheberrecht, das sie zu Unrecht als Hemmschuh für die Nutzung von Rechten im Schul- und Bildungsbereich verstehen, gewachsen. Die Initiative Urheberrecht unterstützt grundsätzlich gerade beschlossenen Gesetzentwurfs, der für nahezu jede Schranke eine angemessene Vergütung für Urheber und Rechtsinhaber, zu verwalten durch Verwertungsgesellschaften, vorsieht. Wichtig ist, dafür zu sorgen, dass die vorgesehenen angemessenen Vergütungen für Urheber, ausübende Künstler und Rechtsinhaber von den Trägern der Schul-, Bildungs- und Wissenschaftseinrichtungen, also in der Regel von der öffentlichen Hand, auch tatsächlich erbracht werden. Im Bereich der Vervielfältigungen muss Sorge getragen werden, dass Vergütungen technologieneutral erhoben nicht durch bestehende „Deckelungen“ um ihre Wirkung gebracht werden.

2. Vergütungsansprüche für die Privatkopie und für bestimmte Plattformnutzungen stärken und ausbauen
Die Initiative Urheberrecht unterstützt die schon seit langem gesetzlich erlaubte Werknutzung zu privaten Zwecken. Die Vergütungspflicht hierfür, auch bei Nutzung modernster Technologie, wird von niemandem in Frage gestellt. Das neue Verwertungsgesellschaftengesetz hat die Bedingungen für die Durchsetzung und Verwaltung der Vergütungsansprüche verbessert, aber sie sind immer noch nicht optimal. Wichtig ist vor allem, dass das System auch auf europäischer Ebene gestärkt und nicht in Frage gestellt wird, denn es ist ein wichtiges Modell für andere Bereiche der unkontrollierbaren Massennutzung von Werken.
Die Initiative Urheberrecht unterstützt von diesen positiven Erfahrungen ausgehend Überlegungen aus der Urheberrechtswissenschaft, die darauf abzielen, bestimmte Formen der Nutzung von Plattformen, z.B. im Bereich des „user generated content“, also den von Nutzern ausschließlich für private, nicht kommerzielle Zwecke vorgenommenen Zugriffen auf fremde Werke in Form der Einführung einer Schranke zu legalisieren. Voraussetzung ist, dass die Plattformbetreiber hierfür angemessene Vergütungen entrichten, soweit sie nicht bereits mit einzelnen Gruppen von Rechteinhabern, z.B. im musikalischen Bereich, andere geeignete Vergütungsformen vereinbart haben.

3. Urhebervertragsrecht ausbauen
Das Urhebervertragsrecht schafft die Grundlage für einen fairen Ausgleich zwischen Werkverwertern, Urhebern und ausübenden Künstlern und damit die Voraussetzung für eine erfolgversprechende gemeinsame Rechtseinräumung der Gesamtheit der Rechtsinhaber.
Weite Bereiche der Kulturwirtschaft, vor allem Filmproduzenten und Sendeunternehmen haben den Nutzen von allgemeinen Vergütungsregeln neben Tarifverträgen erkannt.
Die Reform des Jahres 2016 hat wichtige Vorschriften des individuellen und des kollektiven Vertragsrechts gestärkt, aber nicht alle Erwartungen erfüllt.
Im individuellen Urhebervertragsrechts sind wir der Auffassung, dass zunächst die Auswirkungen der jüngsten Reform überprüft werden sollten. In jedem Fall sollte die Rückrufmöglichkeit eingeräumter Rechte weiter ausgebaut und generell die urhebervertragliche Position wissenschaftlicher Autoren weiter verbessert werden.
Im kollektiven Urhebervertragsrecht halten wir die Forderung aufrecht, dass Einigungsvorschläge der Schiedsstelle zu gemeinsamen Vergütungsregeln für verbindlich erklärt werden sollten. Weiter sollte das Verbandsklagerecht ausgebaut werden.

4. Urheberpersönlichkeitsrecht wahren
Das Urheberpersönlichkeitsrecht garantiert die Werkidentität und -integrität. Es darf nicht in Frage gestellt werden, auch wenn neue technische Möglichkeiten seine Beeinträchtigung ermöglichen.
Die Initiative Urheberrecht hält die derzeit geltenden Bestimmungen für genehmigungspflichtige Bearbeitungen und freie Werknutzung für interessengerecht. Sie lehnt Forderungen nach Sonderbestimmungen für „transformative Werknutzung“ wie „Remixes“ oder „Mashups“ ab, ist aber zu einer Diskussion über eine praxisgerechte Fortentwicklung des § 24 UrhG (freie Werknutzung) bereit.

5. Verwertungsgesellschaften stärken
Urheber und ausübende Künstler benötigen Solidarität und starke Partner zur Durchsetzung ihrer Interessen, aber auch zur Geltendmachung ihrer Vergütungsansprüche.
Unersetzbare Partner dafür sind die deutschen Urheber- und Künstler-Verwertungsgesellschaften und ihre ausländischen Schwesterorganisationen.
Die durch Umsetzung der EU-Verwertungsgesellschaftsrichtlinie geschaffene neue Rechtslage sollte in angemessenem Abstand auch unter Berücksichtigung ihrer Anwendung in anderen Mitgliedsstaaten überprüft und ggf. modifiziert werden. Geprüft werden muss insbesondere, inwieweit Bürokratieauflagen die Arbeit der Gesellschaften beeinträchtigen, ohne den beabsichtigten Nutzen zu erbringen.

6. Schutzfristen
Ein starkes Urheberrecht benötigt Schutzfristen, die den wirtschaftlichen Schwankungen bei der Auswertung von Werken gerecht werden und damit die nachhaltige Erzielung der angemessenen Vergütung über einen längeren Zeitraum sicherstellen.
Die Initiative Urheberrecht sieht deshalb keine Notwendigkeit, urheberrechtliche Schutzfristen zu verkürzen. Jede Verkürzung entwertet die Rechte der Urheber und ausübenden Künstler und schadet ihnen.

7. Rechte durchsetzungsstark machen, Missbräuche verhindern
Die Initiative Urheberrecht hält es für unverzichtbar, dass Urheberrechte und die Rechte ausübender Künstler durchsetzungsstark und angemessen ausgestaltet sind. Das gilt auch gegenüber Rechtsverletzungen, die im Internet geschehen; die Initiative Urheberrecht wendet sich gegen eine exzessive Sanktionspraxis.
Gerade neuere Urteile des EuGH führen jedoch dazu, dass der Zugriff im Geschäftsverkehr auf Inhalte von Webseiten bedenklich erweitert werden, z.B. durch das sog. „Framing“. Dies führt nicht nur zu Kontrollverlusten, sondern auch dazu, dass den Urhebern und ausübenden Künstlern die wirtschaftlichen Vorteile aus der lizensierten Nutzung ihrer Werke teilweise oder ganz entzogen werden, weil der EuGH durch die Erweiterung der digitalen Nutzungsrechte unkontrollierbaren Zugang und erweiterte, auch kommerzielle Nutzungen, ermöglicht hat.
Es ist deshalb unbedingt erforderlich, dass bei der Anpassung des Urheberrechts an die Bedingungen der Informationsgesellschaft nicht nur die Interessen der Netzbetreiber, der Plattformen und der Nutzer im Vordergrund stehen, sondern die Kreativen, ohne deren Beiträge die Informationsgesellschaft ohne Inhalte wäre, geschützt und ihre wirtschaftlichen und materiellen Interessen berücksichtigt werden.
Das Urheberrecht unterliegt ständigen Wandlungen. Die Initiative Urheberecht hat schon an früheren Reformen konstruktiv mitgearbeitet. Sie wird deshalb auch weiterhin zur Zukunft des Urheberrechts Positionen beziehen, die die Interessen der kreativen Menschen, deren Arbeit nach allgemeiner Ansicht immer noch im Mittelpunkt des Gesetzes steht, zur Geltung bringen, denn die Werke und Leistungen dieser Urheber und ausübenden Künstler bilden das Fundament von Kulturwirtschaft und Informationsgesellschaft.

Prof. Dr. Gerhard Pfennig
Sprecher der Initiative Urheberrecht

  • Im Folgenden wird der besseren Lesbarkeit wegen nur die männliche Form verwandt.
ini-urheberrecht-wahl-2017-forderungen.pdf (pdf, 485.75 KB)

Pressekontakt: info@urheber.info